Montag, 22. April 2013

Senatorin Jutta Blankau: Hamburg schafft die Energiewende

Jetzt und ohne immer neue Schulden
Teil1: Interview mit Jutta Blankau - Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt

Wie weit sind wir mit der Energiewende in Hamburg?

Wir kommen mit den beiden Kooperationspartnern E.ON und Vattenfall richtig gut voran. Ein gutes Beispiel ist die Fernwärmeversorgung der Stadt. Bislang wird das große Fernwärmenetz von einem abgängigen Kohlekraftwerk aus den 1960er Jahren versorgt. Dieses Kraftwerk wollte Vattenfall eigentlich durch die sogenannte Moorburgtrasse, eine Fernwärmeleitung aus dem Kohlekraftwerk Moorburg ersetzen. Wir haben in den Vereinbarungen erreicht, dass diese Leitung durch ein hochmodernes Innovationskraftwerk ersetzt wird. Das Genehmigungsverfahren läuft bereits.



Was ist das für ein Kraftwerk?

Das ist ein sogenanntes GuD-Kraftwerk, ein Gas- und Dampf-Turbinenkraftwerk mit angeschlossenem Wärmespeicher. Gasturbinenkraftwerke sind wesentlich klimaschonender als Kohlekraftwerke. Zudem wird das Kraftwerk durch einen Wärmespeicher ergänzt, der die Leistung eines größeren Windparks mit etwa 100 Megawatt für mehrere Stunden abfedern und für die Fernwärme nutzbar machen kann. So werden erneuerbare Energien sinnvoll integriert. Das Kraftwerk ist auch für den Klimaschutz ein Gewinn: wir sparen damit bis zu einer viertel Millionen Tonnen CO2 ein!

Es gibt ja auch immer wieder Stimmen, die sagen, eine dezentrale Versorgung mit Fernwärme wäre besser?

Das machen wir ja auch dort wo es passt. Wir haben beispielsweise mit E.ON die Öffnung der Fernwärmenetze vereinbart. Gerade im Dezember sind wir mit einem ersten Projekt gestartet, in dem Eurogate mit einem Blockheizkraftwerk Wärme im Netz von E.ON Hanse zwischenspeichern wird. In der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt arbeiten wir gerade an einem Wärmekonzept, in dem wir Modellregionen für verschiedene Arten von Wärmeversorgung entwickeln.
Was mich allerdings wundert, ist die Kritik einiger Umweltverbände an dem Innovationskraftwerk in Wedel. Schließlich haben einige derjenigen, die heute dieses Kraftwerk kritisieren, es noch vor kurzem selbst gefordert. Offenbar wird an einigen Stellen auch eine dezentrale Energieversorgung als Selbstzweck angesehen. Aber für ein so verdichtetes Gebiet mit einem dichten Fernwärmenetz und mehreren hunderttausend angeschlossenen Haushalten ist diese Lösung mit dem GuD-Kraftwerk wesentlich effizienter als viele kleine Blockheizkraftwerke.

Sind denn noch weitere Projekte gestartet?

In der Zwischenzeit ist schon vieles passiert und angestoßen worden. Gerade Anfang April haben wir beispielsweise mit E.ON ein hochinnovatives Power-to-Gas-Projekt gestartet, in dem überschüssige Windenergie in Wasserstoff umgewandelt wird, der wiederum ins Gasnetz eingespeist wird. Solche Techniken sind die Zukunft der Energiewende.

Würden wir nicht noch viel weiter kommen, wenn wir 100% der Energienetze kaufen würden?
Das ist eine Illusion. Mit 100% der Netze bekommt man keinen größeren Einfluss auf die Energieversorgung. Der Netzbetreiber ist gesetzlich dazu verpflichtet, jede Energie durchzuleiten - also beispielsweise auch Atomstrom und Strom aus Braunkohle. Wir würden zwei Milliarden Euro für Kabel und Rohrleitungen ausgeben, mit denen wir aber keinen besseren Einfluss auf die Energieerzeugung hätten, aber den Haushalt schwer belasten würden.

Geht die Energiewende in Hamburg denn schnell genug?

Das ist doch der entscheidende Vorteil unserer Vereinbarung. Durch die Verträge und die Kooperationsvereinbarung mit den Versorgungsunternehmen sind wir die Energiewende sofort angegangen. Hätten wir die Konfliktlinie des Vorgängersenats weiter gefahren, wären wir noch keinen Schritt weiter. Vor allem würden wichtige Entscheidungen insbesondere im Fernwärmebereich noch durch Rechtsstreitigkeiten jahrelang verzögert werden und ob die Stadt damit Erfolg hätte, ist hochgradig fraglich. Es ist gut, die Energiewende sofort und pragmatisch anzugehen, das Klima zu schützen und Arbeitsplätze zu sichern. Es bringt uns im wirklichen Leben keinen Schritt weiter, wenn wir energiepolitische Luftschlösser bauen.

Welches sind denn die weiteren Hamburger Schwerpunkte in der Energiepolitik?

Wir arbeiten beispielsweise mit dem Projekt Unternehmen für Ressourcenschutz intensiv an Energieeinsparungen. Mit unserem Unternehmen Hamburg Energie sind wir sehr erfolgreich in der Produktion und dem Vertrieb von erneuerbaren Energien. Außerdem sorgen wir dafür, dass in der Hansestadt erneuerbare Energie produziert werden können. Die installierte Leistung von Windenergie wollen wir von ca. 50 auf über 100 MW verdoppeln und auch weitere Standorte im Hafen erschließen. Mit dem "Hamburger Solaratlas" haben wir eine gute Grundlage geschaffen, damit die Hamburgerinnen und Hamburger prüfen können, ob es sich lohnt, bei ihnen zuhause Solaranlagen zu installieren.

Welche Rolle spielt die Bundespolitik für Hamburg?

Hamburg hat sich in vielen Politikfeldern in den letzten zwei Jahren intensiv auf Bundesebene eingebracht und dort wieder echtes Gewicht bekommen. Ich war an den Verhandlungen auf Bundesebene beteiligt und habe viele Gespräche geführt. Die Bundesregierung gefährdet mit ihrem unstrukturierten und verunsichernden Vorgehen die Energiewende in Deutschland. Da könnte sich die Kanzlerin mal eine Scheibe von Hamburg abschneiden. Nicht umsonst hieß es in der FAZ: "Wie es gehen könnte, zeigt Hamburg."

Das Interview führte Magnus Kutz
Quelle: Hamburger Kurs - April/Mai 2013

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen